Interview mit den Helmholz-Geschäftsführern Karsten Eichmüller und Carsten Bokholt

Connectivity trifft Usability

Auf dem Weg zur smarten Fabrik ist die Industrie dazu angehalten, Produktionsanlagen stärker zu vernetzen und an höhere Ebenen anzubinden. Helmholz spielt dieser Trend in die Karten, hat sich das Unternehmen doch längst vom S7-Second-Source-Lieferanten zum Connectivity-Spezialisten für den mittelständischen Maschinenbau gewandelt. Wie es dazu kam, welche Stärken man heute ausspielen kann und wo die Reise für Helmholz in Sachen Konnektivität hingeht, darüber hat das SPS-MAGAZIN mit den beiden Geschäftsführern Karsten Eichmüller und Carsten Bokholt gesprochen.
Die Geschäftsführer Karsten Eichmüller und Carsten Bokholt haben das Unternehmen Helmholz als Connectivity-Spezialisten für den mittelständischen Maschinenbau positioniert.
Die Geschäftsführer Karsten Eichmüller und Carsten Bokholt haben das Unternehmen Helmholz als Connectivity-Spezialisten für den mittelständischen Maschinenbau positioniert. Bild: Helmholz GmbH & Co. KG

Helmholz treibt mit seinem Portfolio die moderne Connectivity im Maschinenbau an, besonders im Umfeld von Profinet. Woher kommt dieser Augenmerk?

Karsten Eichmüller: Das Unternehmen hat seine Wurzeln in der Profibuswelt. Die einstige Positionierung als Second Source Supplier limitierte allerdings auch die Zielgruppe deutlich. Das hat sich über die Jahre, vor allem durch den Umstieg von Profibus auf Profinet, vollständig verändert. Denn das industrielle Ethernet hat Helmholz nicht nur technologische Vorteile beschert, sondern auch einen breiteren Kundenkreis. In der Folge ist Profinet heute eines unserer Kernthemen, das wir mit einem kompletten Ökosystem für Maschinennetzwerke adressieren.

Dazu gehört auch eine Reihe an Gateways.

Eichmüller: Richtig. Ursprünglich – und gemäß unseres damaligen Fokus auf die S7-Welt – galt es vor allem, Profibus mit Profinet zu verbinden. Später kamen Lösungen für Profinet auf Profinet und Profinet auf ModbusTCP hinzu, die der Markt ebenfalls gut angenommen hat. Mittlerweile gibt es eine ganze Gateway-Familie im Helmholz-Portfolio – jüngster Zuwachs ist eine Variante für Profinet auf Ethernet/IP.

Warum Profinet auf Ethernet/IP und nicht z.B. für Profinet auf Ethercat?

Carsten Bokholt: Ethercat steht genauso auf der Liste der Protokolle, die wir mit unseren Gateways abdecken wollen. Doch im internationalen Vergleich ist die Ethernet/IP-Welt nach Profinet die Zweitgrößte. Zudem ist Nordamerika für viele unserer Kunden ein wichtiger Zielmarkt und mit dem neuen Gateway müssen Maschinenbauer nicht mehr verschiedene SPS-Systeme beherrschen und verbauen. Das reduziert den Aufwand für Maschinenbauer natürlich deutlich.

Eichmüller: Das ist auch ein Grund, warum wir mit unserem I/O-System so erfolgreich sind. Egal, wo die Maschine letztlich hingeht: Der Kunde verbaut eine einheitliche Lösung und setzt abschließend nur noch die passende Kopfstation darauf.

Wie stark ist die Steuerungslandschaft wirklich im Umbruch?

Eichmüller: Dass die jüngeren Anbieter von Steuerungstechnik den historischen Platzhirschen Marktanteile abnehmen, ist wohl kein Geheimnis. Wie so vieles, ist auch in der Automatisierungsbranche die Vielfalt deutlich größer geworden. Ganz unabhängig vom SPS-Hersteller gibt es zudem immer weniger Standalone-Maschinen in den Fabriken. Doch alle Anlagen untereinander zu vernetzen und in übergeordnete Systeme einzubinden, ist keine leichte Aufgabe. Deswegen zählen neben den Maschinenbauern längst auch die Endanwender zu unserer Zielgruppe. Umgekehrt ist der Name Helmholz mittlerweile auf den Referenzlisten vieler Anlagenbetreiber eine feste Größe.

Auf dem Markt findet man heute diverse Anbieter und eine Vielzahl von Gateways. Welche Besonderheiten zeichnen Ihre Geräte aus?

Eichmüller: Im Mittelstand sucht man in der Regel nach unkomplizierten Lösungen, um Anlagenteile datentechnisch miteinander zu verbinden. Deswegen können wir hier mit unserem Easy-to-Use-Ansatz, also der einfachen Integration und Anwendung unserer Gateway-Lösungen, ausgezeichnet punkten. Der Anwender benötigt weder komplizierte Software Tools noch umfangreiches Experten-Knowhow.

Bokholt: Die meisten anderen Gateways auf dem Markt muss der Anwender aufwändig projektieren und programmieren. Das wollen wir vermeiden. Deshalb heißt es für Helmholz: Usability first! Nicht nur bei Gateways, sondern übergreifend durch das gesamte Portfolio.

 Das Portfolio von Helmholz umfasst mittlerweile eine komplette Familie an Gateways und Kopplern.
Das Portfolio von Helmholz umfasst mittlerweile eine komplette Familie an Gateways und Kopplern.Bild: Helmholz GmbH & Co. KG

Was bedeutet das denn für die Funktionalität?

Bokholt: Die hohe Usability unserer Gateways darf natürlich nicht zu Lasten der Funktionalität gehen. Sprich: Alle wesentlichen Eigenschaften sind vorhanden. Das stellen wir bei der Entwicklung in ausführlichen Gesprächen mit den Anwendern sicher. Sollte ein Kunde dann doch noch ein sehr spezielles Feature benötigen, ergänzen wir es sozusagen maßgeschneidert.

In einer kundenspezifischen Lösung?

Bokholt: Nein, applikationsbezogen würde es besser treffen. Wir prüfen bei speziellen Wünschen immer, inwiefern auch andere Kunden eine solche Funktion brauchen. Erst dann setzen wir sie im Rahmen eines Funktionsbaukastens für unsere Geräte um. Zudem müssen sie zur Grundphilosophie unserer Gateways passen.

Sie dürfen die Geräte nicht zu kompliziert machen.

Eichmüller: Genau. Die Funktionalität muss immer eindeutig und beherrschbar bleiben. Folglich denken wir – sowohl auf Hardware- als auch auf Software-Seite – sehr stark in Plattformen. Wenn man aus dem Profibus- bzw. Profinet-Umfeld kommt, dann weiß man ja, mit welchen Methoden und Tools die entsprechenden Anwender vertraut sind. Deswegen haben wir dafür gesorgt, dass die Konfiguration unserer Gateways für sie nicht neu ist. Durch diese Vertrautheit und den einfachen Umgang können wir in unserer Zielgruppe den nötigen Impuls setzen, um sich dem Thema moderner Connectivity und Anlagenvernetzung überhaupt anzunehmen.

Bokholt: Viele Anbieter von Netzwerkkomponenten drängen heute aus anderen Marktsegmenten wie IT oder Infrastruktur in den Automatisierungsmarkt. Sie machen, um ihre Geräte hier verkaufen zu können, dann Profinet on Top dazu. Bei Helmholz ist es genau umgekehrt. Wir sind in Industrie und Profinet-Welt zu Hause und ergänzen bei Bedarf die nachgefragten Funktionen. In diese Richtung lassen sich Lösungen besser schlank und unkompliziert halten, als anders herum.

Im Sinne der smarten Fabrik sollen Endanwender ihre Anlagen stärker vernetzen. Spüren Sie diesen Trend beim Absatz Ihrer Gateways?

Bokholt: Das Thema der durchgängigen Vernetzung ist sicherlich in der Praxis angekommen. Wir spüren vor allem zwei Trends: Die Einbindung von Altanlagen mit Profibus-auf-Profinet-Gateways bildet die eine Seite. Auf der anderen Seite stehen aber auch unsere Profinet-zu-Profinet-Koppler im Sinne einer Netzwerksegmentierung aktuell hoch im Kurs. Denn wenn man Anlagenteile direkt über Profinet miteinander verbindet, kommt es nicht selten zu Beeinträchtigung von Kommunikation und Zykluszeit. Das lässt sich mit unseren Kopplern ganz einfach vermeiden.

Wie sieht es mit der Anbindung von Maschinen an höhere Ebenen aus?

Eichmüller: Auch hier sorgen die Lösungen von Helmholz für moderne Connectivity. So z.B. unsere NAT/Firewall-Kombination Wall IE, die eine einfache aber wirksame Absicherung der Produktionsanlagen nach oben hin erlaubt. Zudem arbeiten wir an einem Profinet/MQTT-Gateway, das Daten mit höheren Ebenen auszutauschen kann – wieder unter der Prämisse einer möglichst hohen Usability. Denn für klassische OPC-UA-Gateways benötigt der Anwender eine Menge Knowhow. Wir sind der Meinung, dass man die Anbindung an IoT und Cloud auch deutlich einfacher lösen kann.

Bokholt: Wenn man mit Kunden das erste Mal über die Smart Factory spricht, wollen viele gleich den ganz großen Wurf machen – von Big Data und Cloud bis zu KI und Predictive Maintenance. Rückblickend schaffen das aber nur die wenigsten. Als erster Schritt ist durchgängige Konnektivität deshalb so wichtig. Daten aus der Feldebene müssen greifbar für übergeordnete Systeme werden – egal, ob das mit unseren Routern, dem künftigen MQTT-Gateway oder per S7 und OPC UA gelöst wird. Auch danach empfiehlt es sich, Schritt für Schritt weiter zu machen, und einzelne IoT- und Remote-Anwendungen umzusetzen.

Wie weit begleiten Sie Ihre Kunden auf dem Weg ins industrielle IoT?

Eichmüller: Helmholz stellt mit seinem Connectivity-Portfolio aus Kopplern, Gateways, Routern oder Switches die richtige Basis für das IoT bereit. Zudem unterstützen wir den Kunden, die passenden Daten einzusammeln und sie in entsprechende Systeme weiterzuleiten. Dabei können wir aufgrund unserer Erfahrung gut und ganz individuell abgestimmt helfen – immer mit dem Fokus auf eine zuverlässige aber unkomplizierte Lösung. Bei einer anwendungsspezifischen Auswertung der Daten hört unser Job allerdings auf, dafür ist das Helmholz-Kundespektrum viel zu breit. Kurzum: Wir begleiten unseren Kunden – egal ob Maschinenbauer oder Endanwender – Schritt für Schritt zu durchgängiger Connectivity. Das Feedback unserer Kunden und die Zahl der Referenzen sprechen dabei ganz klar für sich.

Kommen wir nochmals auf die Firewall/NAT-Kombination Wall IE zu sprechen. Sie wird nicht nur bei der Remote-Anbindung von Maschinen eingesetzt, sondern auch bei der Vernetzung untereinander. Warum?

Bokholt: Sie kann durch moderne Segmentierung auch auf Produktionslevel für mehr Sicherheit sorgen. Oft steht dabei weniger die Firewall als vielmehr die integrierte Adressübersetzung, also die NAT-Funktion, im Vordergrund. Denn neben der Sicherheit lassen sich so auch Probleme mit IP-Adressen oder dem Broadcast auf einen Schlag in den Griff kriegen – einfach und unkompliziert. Berücksichtigt man dazu das Preislevel und den Formfaktor des Geräts, ist Wall IE wohl wirklich einzigartig auf dem Markt.

Wie steht es denn um die Security in der Branche insgesamt?

Bokholt: Seit Stuxnet hat die Industrie viel dazugelernt. Allerdings ist es oft noch nicht ganz klar, an welchen Stellen man welche Technologien am besten einsetzt. Wall IE unterstützt den Anwender hier ganz klar durch seine Flexibilität – egal ob bei der Absicherung nach oben und der einfachen Segmentierung auf dem gleichen Level.

Eichmüller: In dieser Hinsicht ist unser Wall IE ein wunderbarer Beleg dafür, dass zunehmende Vernetzung und Sicherheit in der Produktion Hand in Hand gehen können.

Lassen Sie uns abschließend noch einen Blick weiter voraus werfen: Die Kombination von OPC UA und TSN wird ja oft als künftiges Allheilmittel für die industrielle Kommunikation angepriesen. Was bedeutet das für das Angebot von Helmholz?

Bokholt: Solange die großen Automatisierer noch keine durchgängigen Lösungen für TSN anbieten, werde die versprochenen Vorteile für unsere Kunden noch nicht wirtschaftlich greifbar sein. Doch auch wenn TSN heute noch nicht wirklich in der Praxis einsatzbereit ist, wird sich der Standard unserer Meinung nach in der industriellen Kommunikation durchsetzen. Deswegen werden auch wir über kurz oder lang TSN-fähige Produkte anbieten.Solange die großen Automatisierer noch keine durchgängigen Lösungen für TSN anbieten, werde die versprochenen Vorteile für unsere Kunden noch nicht wirtschaftlich greifbar sein. Doch auch wenn TSN heute noch nicht wirklich in der Praxis einsatzbereit ist, wird sich der Standard unserer Meinung nach in der industriellen Kommunikation durchsetzen. Deswegen werden auch wir über kurz oder lang TSN-fähige Produkte anbieten. (mby)

Das könnte Sie auch Interessieren