Kostenvorteile durch effiziente Antriebslösungen

„Freiwillig kommt mehr raus“

Die Vorteile energieeffizienter Antriebstechnik sind der Branche eigentlich schon seit langem bekannt. Doch angesichts der aktuellen Entwicklungen - Klimaschutz, mehr Nachhaltigkeit, stark steigende Energiepreise - erhält das Thema deutlich mehr Brisanz. Parallel bietet die technologische Entwicklung immer bessere und einfachere Wege, den Energiebedarf von Maschinen und Anlagen zu senken. Doch wo liegt das größte Potenzial? Und wie ändern sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen? Darüber hat sich das SPS-MAGAZIN mit den SEW-Eurodrive-Marktmanagern Gregor Dietz und Udo Marmann unterhalten.
Gregor Dietz
Gregor DietzBild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Die Ökodesign-Richtlinie hat in den vergangenen Jahren die Wirkungsgrad-Anforderungen an Elektromotoren kontinuierlich verschärft. Zuletzt im Juni 2021. Seitdem müssen in vielen Fällen, in denen bisher noch Motoren nach IE2 zulässig waren, IE3-Motoren eingesetzt werden. Auch in diesem Jahr gibt es neue Vorgaben. Worum geht es dabei genau?

Gregor Dietz: Die neue EU-Regelung gibt vor, dass ab Juli 2022 in den Unterlagen eines Elektromotors oder eines Frequenzumrichters die Verluste für verschiedene Lastpunkte und Drehzahlen angegeben sein müssen. An diesen Werten soll sich der Anwender künftig besser orientieren können, als bisher an der eher abstrakten Angabe des Wirkungsgrads. So zumindest ist das Ziel der EU-Kommission.

Udo Marmann: Auf diese Weise soll ein Paradigmenwechsel in den Köpfen stattfinden – hin zu mehr Bewusstsein für den Energieverlust beim Betrieb der Antriebslösung. Der Betreiber soll unmittelbar damit konfrontiert werden, welchen konkreten Betrag ihn ineffiziente Lösungen kosten.

Udo Marmann
Udo MarmannBild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Es ist aber nur die Dokumentation verpflichtend – und nicht der Einsatz effizienter Technik an sich?

Dietz: Richtig: Diesen Vorgaben folgend, hat SEW-Eurodrive jetzt schon für seine Motoren und Umrichter entsprechende Fact-Sheets erstellt. Sie zeigen nicht nur entsprechende Leistungs- und Verlustwerte übersichtlich auf, sondern erklären auch die neue EU-Regelung an sich. So kann sich der Anwender im Engineering-Prozess und der Projektierung bereits einfach informieren.

Marmann: Der jetzige Schritt soll den Anwender in die Lage versetzen, die Auswirkungen effizienter Antriebslösungen in seiner Applikation überhaupt bewerten zu können. Der nächste Schritt, der dann vorgibt, wann ein Umrichter aus Gründen der Effizienz eingesetzt werden muss, ist wohl erst in einigen Jahren zu erwarten. Verpflichtend ist eine Drehzahlregelung derzeit in keinem Fall.

Wenn der Anwender durch eigene 
Motivation den Weg zu effizienten 
Lösungen einschlägt, kommt viel mehr dabei raus, 
als wenn er dazu gezwungen wird.
Udo Marmann, SEW-Eurodrive
Wenn der Anwender durch eigene Motivation den Weg zu effizienten Lösungen einschlägt, kommt viel mehr dabei raus, als wenn er dazu gezwungen wird. Udo Marmann, SEW-EurodriveBild:

Hat denn der Maschinenbau nicht längst ein Bewusstsein für den Stellenwert effizienter Antriebslösungen?

Marmann: Man muss hier genau unterscheiden. Kosten sparen durch effiziente Antriebe ist ja hauptsächlich das Anliegen des Anlagenbetreibers. Der Maschinenbauer selbst hat im ersten Zug kaum etwas davon, sparsame Lösungen zu verbauen. Erst dann, wenn er diese dem Endanwender als Mehrwert verkaufen kann. Umgekehrt kann es natürlich auch sein, dass der Betreiber bereits entsprechende Vorgaben macht.

Dietz: Solange jeder für sich versucht, die Initialkosten zu optimieren, geht die Effizienzrechnung nicht auf. Beide Seiten müssen zusammenspielen. Dann erst entsteht eine Win/Win-Situation.

Beobachten Sie zunehmende Bereitschaft beim Endanwender, effiziente Maschinen zu bestellen, auch wenn sie etwas teurer sind?

Marmann: Ja. Es ist den produzierenden Unternehmen natürlich bewusst, dass der mit Abstand größte Teil der Kosten über die Maschinenlaufzeit für den Energiebedarf anfällt. Deswegen werden modernes Energie-Monitoring oder auch eine Zertifizierung gemäß ISO50001 immer beliebter – gerade bei großen Anwendern. Einher damit, dass man dadurch genau weiß, an welcher Stelle wie viel Energie gebraucht wird, gehen dann meist auch die verbrauchsenkenden Maßnahmen. Schließlich amortisiert sich die effiziente Technik bei den heutigen Energiepreisen meist relativ schnell.

Dietz: Effizienz wird mehr und mehr als kontinuierlicher Prozess verstanden. Viele Firmen suchen aktiv nach Potenzial zum Energie sparen. Und das wird natürlich bei Neuanschaffungen von Maschinen und Anlagen besonders deutlich. Folglich überträgt sich diese Wahrnehmung auch auf den Ausrüster. Schließlich kann er sparsame Maschinen besser gegenüber dem Endanwender positionieren. Kurzum: Das Bewusstsein für die Vorteile von effizienten Antriebslösungen wächst. Davon, dass unser Kunde automatisch die effizientere Lösung wählt, sind wir aber noch ein gutes Stück weit entfernt. Denn auch die Politik legt die Rahmenbedingungen noch nicht so fest, wie man es angesichts der aktuellen Entwicklungen eigentlich erwarten würde.

 Modernes Energie-Monitoring oder die 
Zertifizierung gemäß ISO50001 werden in 
der produzierenden Industrie immer beliebter.
Modernes Energie-Monitoring oder die Zertifizierung gemäß ISO50001 werden in der produzierenden Industrie immer beliebter.Bild: ©panuwat/stock.adobe.com

Wie meinen Sie das?

Dietz: Der Fokus liegt nach wie vor zu stark auf einzelnen Komponenten. Natürlich ist ein IE3-Motor ein paar Prozent effizienter als ein IE2-Motor. Mit dem Blick auf die gesamte Anwendung ist das Potenzial jedoch ein Vielfaches höher. Da lassen sich oft schnell 30 bis 40 Prozent erreichen. Hier tut der Gesetzgeber zu wenig. Denn die Systemperspektive ist bis heute eine rein freiwillige.

SEW-Eurodrive liefert mit seinem Technologiebaukasten ja nicht nur einzelne Komponenten, sondern auch komplette Lösungen – kombiniert aus Hard- und Software. Welche Möglichkeiten bieten sich dem Maschinenbauer damit in puncto Effizienz?

Marmann: Gerade die Kombination von Motoren und Umrichtern stellt spannende Vorteile in Aussicht. Ein gutes Beispiel ist die Paketdistribution: Über dieselbe Förderstrecke laufen sehr unterschiedliche Gewichte – von 2 bis 20kg. Auch die Auslastung schwankt bisweilen stark. Dieser Anforderung nach Flexibilität allein mit Motoren zu begegnen, ist schlecht möglich. Mit den smarten Software-Funktionen unserer Frequenzumrichter hingegen funktioniert das sehr gut. Je mehr Daten im Umfeld der Förderstrecke erfasst werden, umso exakter kann der Umrichter den Betrieb des Motors darauf abstimmen: So lassen sich Betriebspunkte energieoptimiert auslegen und Verluste möglichst gering halten. Und natürlich kann man über die Datenerfassung dann auch ausgezeichnet nachvollziehen, in welcher Höhe man Energiekosten durch effiziente Hardware und smarte Software-Funktionen gespart hat.

Dietz: Wenn man diesen Betrag quasi schwarz auf weiß sieht, dann steigt die Motivation für den Einsatz effizienter Technik deutlich. Im Zweifel auch ganz ohne gesetzliche Vorgaben.

Übernehmen die Umrichter damit künftig die zentrale Rolle im Antriebssystem?

Marmann: Ja. Zumindest in den meisten Fällen. Denn dem elektromechanischen Motor kann man ja nur über Umwege zu mehr Intelligenz verhelfen – also über die Steuerung des Umrichters, die Kommunikationsschnittstelle und integrierte Sensoren. Der Frequenzumrichter wird sozusagen zu einem modernen Edge-Device.

Mittlerweile gibt es verschiedene Lösungen auf dem Markt, um Sensoren an bestehenden Motoren nachzurüsten. Welches Potenzial für mehr Effizienz steckt darin?

Dietz: Prinzipiell ist es natürlich von Vorteil, zusätzliche Informationen über den Motor und den Anlagenbetrieb zu generieren. Allerdings ist es alleine mit einer Sensorbox nicht getan. Die Daten müssen ja auch per Gateway weitergeleitet, in die Anlage integriert und auf Steuerungslevel ausgelesen werden. Sollen mehrere Motoren auf diese Weise nachgerüstet werden, wird es schnell sehr komplex und aufwändig.

Marmann: Zudem ist das Erfassen von Daten nur die halbe Miete. Es ist ja auch durchaus wünschenswert, auf die Daten entsprechend zu reagieren. Und das ist mit der Sensorbox wiederum nicht möglich. Geht es um Wartungsfragen, mag eine solche Lösung Sinn machen. Für zusätzliche Effizienz ist sie hingegen nicht förderlich. Dafür wäre eine bidirektionale Vernetzung nötig.

Wie geht es denn weiter mit den Thema Effizienz bei SEW-Eurodrive? Gibt es eine konkrete Roadmap?

Dietz: Ein Stück weit orientieren wir uns auch weiterhin an der Ökodesign-Richtlinie. Mit Fokus auf die Motoren heißt das: Was jetzt IE3 ist, wird ab Juli 2023 für 75 bis 200kW schon verpflichtend zu IE4. SEW-Eurodrive wird bis dahin aber auch Lösungen in anderen Leistungsbereichen entsprechend positionieren. Denn wie bereits erwähnt, der Trend geht zu mehr Effizienz über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.

Marmann: Parallel begleiten wir natürlich auch den Trend zu Drehzahlregelung und den Einsatz von Umrichtern. Auch hier gilt: Wenn der Anwender durch eigene Motivation und positive Erfahrung freiwillig den Weg zu effizienten Lösungen einschlägt, kommt viel mehr dabei raus, als wenn er per Gesetz dazu gezwungen wird.

Dietz: Dazu gehört für uns als Ausrüster natürlich auch, dass man entsprechende Werkzeuge für Maschinenbauer und Endkunden bereit stellt, mit denen sich die mögliche Ersparnis – bezogen auf die Lebensdauer der Anlage – ausrechnen und aufzeigen lässt. Und die Tools gibt es bereits heute!

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