Vorsorge für den Netzausfall durch Energiespeicherlösung

Lastspitzen runter, Betriebssicherheit rauf

Das schnelle Beschleunigen großer Massen treibt gerade in Portalsystemen den elektrischen Leistungsbedarf der Antriebe in die Höhe. Der generatorische Effekt beim Bremsen kann die Energie dann wieder zurückholen. Um die Bremsenergie möglichst effektiv zu nutzen, und sie nicht in Widerständen abführen zu müssen, setzt Ilsemann Automation in seinen Entnahmerobotern auf eine Antriebslösung, die die Energieströme im Verbund behält. Das erhöht auch die Betriebssicherheit der Anlage.
 Umformwerkzeug mit eingelegten Bechern
Umformwerkzeug mit eingelegten BechernBild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Bei der Herstellung von dünnwandigen Plastikbecher für die Lebensmittelindustrie sind die Ansprüche an die Spritzgusstechnik hinsichtlich Produktivität, Effizienz und Verfügbarkeit hoch – schließlich geht es um Millionenstückzahlen. Ähnliches gilt auch für die Entnahmetechnik, die die fertigen Plastikbecher aus der Spritzgussanlage entnimmt. Ilsemann Automation setzt für diese Aufgabe ein XYZ-Portal mit mehrachskoordinierten Servoantrieben ein. Die Versorgung der Portalantriebe sowie weiterer Dreh-, Transfer-, Klapp- und Ablageachsen im DC-Zwischenkreisverbund übernimmt eine zentrale Einspeisung der Baureihe MDP92A von SEW-Eurodrive. In einer Neuentwicklung integriert der Anlagenbauer einen Doppelschichtkondensator für die Zwischenpufferung freiwerdender Energie in die Energieversorgung. Die Speichereinheit aus der Movi-DPS-Reihe ist elektrotechnisch platziert zwischen der Einspeiseeinheit und den insgesamt sieben Antriebsreglern der Baureihe Movidrive. Dieser Aufbau bringt drei wesentliche Vorteile mit sich: Betriebssicherheit, Energieeffizienz und die Begrenzung von Spitzenlasten.

 Das Entnahmeportal holt die Plastikbecher aus der Spritzgussmaschine.
Das Entnahmeportal holt die Plastikbecher aus der Spritzgussmaschine. Bild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Energiekonzept verschafft Vorsprung

Das maßgebliche Alleinstellungsmerkmal der Lösung von Ilsemann Automation ist die Robustheit gegenüber Spannungsschwankungen. Die Anlagen lassen sich durch die Zwischenspeicherung ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen auch in Ländern mit eingeschränkter Netzqualität einsetzen.

Das Ausgleichen von Netzschwankungen ist deshalb so wichtig, weil das Entnahmesystem unmittelbar in den Arbeitsraum der Spritzgussmaschinen eingreift. Hierbei ist sicherzustellen, dass die Kunststoffbecher genau im richtigen Zeitfenster entnommen werden, um sie von dort auf ein Abführband zu stapeln. Die Zeit dafür ist knapp bemessen und folgt der Produktionsgeschwindigkeit der Spritzgussanlage – 0,7s stehen für die Entnahme zur Verfügung. Das Tempo ist nur mit dynamischen Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen zu erreichen. Treten dabei Netzschwankungen auf, steigt das Risiko einer Kollision zwischen Werkzeug und Handling-Einheit, weil die geforderten Bewegungsrampen nicht mehr erreicht werden. „Wir müssen sicherstellen, dass unser System selbst bei einem Netzausfall nicht mit den teuren Spritzgusswerkzeugen kollidiert“, betont Gerhard Kropp, Konstruktionsleiter Elektrotechnik bei Ilsemann Automation.

 Für einen 8er-Satz fährt der Entnahmeroboter zweimal in die Spritzgussmaschine. 
Anschließend dreht die Achse um 180° und gibt die Becher weiter.
Für einen 8er-Satz fährt der Entnahmeroboter zweimal in die Spritzgussmaschine. Anschließend dreht die Achse um 180° und gibt die Becher weiter. Bild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Speicher wirkt ausgleichend

Deshalb wurde in einem gemeinsamen Engineering-Projekt mit SEW-Eurodrive nach einem Weg gesucht, mehr Versorgungssicherheit zu erreichen. Das Entwicklungsziel mündete in einer indirekten Versorgung des Mehrachsverbundes aus einem EMK-Plattenkondensator. Er speist den DC-Verbund aller Antriebe durch seinen Speicherpuffer mit der geforderten Verlässlichkeit und gleicht dabei mögliche Netzschwankung bis hin zum Totalausfall sicher aus. Die Kapazität der Einheit ist so bemessen, dass die Handling-Einheit sicher den einmal begonnenen Arbeitszyklus beenden kann, bevor das Portal kontrolliert herunterfährt. Drohende Kollisionen im offenen Spritzgusswerkzeug sind somit ausgeschlossen.

Die in den DC-Zwischenkreisverbund integrierte Einheit bringt neben der genannten Betriebssicherheit weitere Vorteile mit sich: etwa steigende Energieeffizienz und die Reduzierung von Lastspitzen. Beides hängt direkt damit zusammen, dass die im Portal herrschenden Energieströme harmonisiert werden und vor allem auch erhalten bleiben. Gerade in hochdynamischen Portalen liegen beschleunigen und bremsen dicht beieinander. Der Pufferspeicher in den Handlings von Ilsemann Automation nimmt die beim Bremsen freigegebene Energie aus den Motoren auf und stellt sie den Antrieben wieder zur Verfügung, wenn sie beschleunigen. Das Kondensatormodul wirkt damit wie ein kurzfristiger Akku mit Booster-Funktion beim Beschleunigen. Idealerweise arbeitet dieser Aufbau so effizient, dass keine kinetische Energie über Bremswiderstände abgeführt werden muss. Messungen ergaben, dass über die Zwischenpufferung der Energieverbrauch des Portals halbiert werden konnte. Im Vergleich dazu seien Rückspeiseeinheiten für diese Applikation deutlich schlechter geeignet, weil sie bei Weitem nicht den Wirkungsgrad erreichen. Zudem wird der beim Bremsen erzeugte Strom nicht billig ins Netz zurückgespeist, um dann die Energie beim Beschleunigen wieder deutlich teurer zu beziehen.

 Servoantriebe von SEW-Eurodrive sorgen im XYZ-Portal von Ilsemann Automation 
für koordinierte Bewegungen.
Servoantriebe von SEW-Eurodrive sorgen im XYZ-Portal von Ilsemann Automation für koordinierte Bewegungen. Bild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Lastmanagement senkt Kosten

Das Einbehalten der Bremsenergie im Kurzzeitspeicher wirkt sich ebenfalls positiv auf die Netznutzungsentgelte bzw. den jährlichen Leistungspreis aus. Denn außerordentliche Lastspitzen ziehen bereits nach wenigen Minuten sehr hohe Kosten nach sich, weil die Strombezugskosten jährlich abgerechnet werden. Gemessen wird mit einem 15-Minuten-Zeitraum. Dazu ein Rechenbeispiel für ein Unternehmen mit eigener Mittelspannungsversorgung, mehr als 2.500 Stunden jährlichem Leistungsbezug und Kosten von 120€/kW. Treiben Lastspitzen den geplanten Leistungsbezug innerhalb des 15-Minuten-Zeitraums um 100kW in die Höhe, stehen dahinter Kosten von 12.000€. Die Lastspitzen wirksam zu glätten, hat eine herausragende Bedeutung im Rahmen des Energiemanagements.

Begleitet wird dieser Effekt von einer schlanker ausführbaren Versorgungsinstallation, weil die Leistungsspitzen des Ilsemann-Portals aus dem Speicher bedient werden. Die Versorgungsinfrastruktur muss folglich nur noch kontinuierlich nachliefern. In einem ersten mit SEW-Eurodrive projektierten Portal sank die sonst für so eine Anwendung übliche Spitzenlast von 52kW auf gerade einmal 6kW. Entsprechend knapp konnten die Anschlussquerschnitte bei der Versorgung ausfallen – von 16mm2 runter auf 2,5mm2. Das senkt die Installationskosten auch durch den Wegfall einer USV, spart Platz und macht die Installation insgesamt einfacher.

Zahlreiche Vorteile

Mit dem Entnahmeportal zeigt Ilsemann Automation wie einfach sich in mehrachskoordinierten Antriebsapplikationen ein speichergestützter DC-Verbund realisieren lässt. Weil bei dieser Architektur die Bremsenergie im System verbleibt, lässt sich auf relativ einfache Weise ein wirksames Lastmanagement realisieren. Die Vorteile sind geringere Einspeiseleistungen, eine höhere Betriebssicherheit gegenüber Netzschwankungen und eine insgesamt effizientere Nutzung elektrischer Energie.

SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

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