OPC UA für Werkzeugmaschinen und Umati: Einblick in die Entwicklung

Eine Schnittstelle für alle Maschinen

Die Welt der Werkzeugmaschinen hat im September dieses Jahres einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung gemacht: OPC 40501-1 UA for Machine Tools, als lange erwarteter OPC-UA-Standard für Daten der Maschine wurde final veröffentlicht. Die größten Namen der Werkzeugmaschinen-Branche haben in dieser Standardisierung eine einheitliche Schnittstelle zur Maschinenanbindung entwickelt. Deren Potenzial wird bereits von zahlreichen Anwendern belegt.
 Das OPC-UA-Informationsmodell definiert thematische Untergruppen, die je nach vorhandenen Daten und geplanter Verwendung der Daten auf der Werkzeugmaschine angeboten werden können.
Das OPC-UA-Informationsmodell definiert thematische Untergruppen, die je nach vorhandenen Daten und geplanter Verwendung der Daten auf der Werkzeugmaschine angeboten werden können.Bild: ISW Institut für Steuerungstechnik der

Auf der EMO Hannover 2019 war der Standard für Werkzeugmaschinen, der damals noch in den letzten Zügen der Ausarbeitung stand, bereits in aller Munde. Ein Showcase zeigte die Anbindung von 110 Maschinen von 70 verschiedenen Herstellern. Dieser heterogene Maschinenpark mit ganz verschiedenen Technologien wurde auf der Messe mit OPC UA for Machine Tools über eine identische Datenstruktur vernetzt. Den Messebesuchern wurde per Dashboard einen Einblick in die standardisierte Datenwelt gegeben.

Anders als geplant: Messesaison 2020

Für die Konnektivitätsinitiative des VDW, die den OPC-UA-Standard für Werkzeugmaschinen initiierte, sollte im Frühjahr diesen Jahres eine weitere intensive Messesaison an internationalen Standorten starten. Dafür war die Infrastruktur der Fachmesse in Hannover über den Jahreswechsel erweitert und für weitere Showcases vorbereitet worden. Ebenfalls folgte im April diesen Jahres die Erweiterung der Marke Umati vom „Universal Machine Tool Interface“ zum „Universal Machine Technology Interface“, in der der VDMA die OPC-UA-Aktivitäten seiner Fachverbände vereinigt. Das Ziel: Die Umati-Community weiter auszuweiten und OPC UA zur Weltsprache der Produktion zu machen. Entsprechende Plug&Play-Lösungen sollen dann nicht nur Werkzeugmaschinen, sondern unterschiedliche Maschinen, Anlagen, Roboter und Systeme auf dem Shopfloor verbinden. Die Messeabsagen seit Frühjahr bedeuteten für die Aktivitäten der Standardisierungsgruppe für Werkzeugmaschinen den Fokus voll auf die Finalisierung der Spezifikationen zu legen. Trotz spürbarer Einschränkungen konnte noch im Mai der Release Candidate als finaler Entwurf für eine Norm veröffentlicht werden. Die Offenlegungs- und Kommentierungsfrist über den Sommer bot Gelegenheit zur Erprobung auf Herz und Nieren: Im Rahmen von zwei Plug-Festen wurden Werkzeugmaschinen entsprechend des Standards implementiert und unter Nutzung der Demonstratoren-Infrastuktur der Umati-Community live vernetzt. Doch was findet sich im Standard denn nun im Detail?

Strukturierung der Inhalte des Standards

Das Informationsmodell für Werkzeugmaschinen ist in übersichtliche Unterbereichen gruppiert: Identification, Monitoring, Production, Equipment und Notification. Anwender nutzen üblicherweise nicht in jedem Bereich alle verfügbaren Datensätze aus. Es wurden daher zusätzlich Facetten definiert, die zusammengehörige Datensätze gruppieren. Facetten bezeichnen in OPC UA Anforderungen an Dateninhalte und Funktionen der Schnittstelle. Compliance Testing ermöglicht es, die korrekte Umsetzung von Facetten zu überprüfen. Ein Maschinenhersteller kann sich also aussuchen, welche Facetten er anbieten oder kombinieren möchte. Der Entscheidung liegt zugrunde, welche Daten auf der Maschine überhaupt verfügbar sind und wie die geplante Weiterverwendung der Daten aussieht. Retrofit-Maschinen werden in vielen Fällen den Basisdatensatz mit nur wenigen Erweiterungen anbieten, während Neumaschinen die Möglichkeiten des Informationsmodells voll ausnutzen können. Neben dem Basisdatensatz, der als Grundvoraussetzung für alle OPC-UA-Server nach der Spezifikation verlangt wird, gibt es Facetten für Monitoring, Tools (sowie die Erweiterung ToolLife), Production (sowie die Darstellung des Production Plan mit dynamischen Produktionsplänen), Errors and Alerts und Prognosen. Die benötigte Funktionalität des OPC-UA-Servers ist in den Facetten jeweils passend ergänzt um State Machines, OPC-UA-Events und dynamische Listen.

 Eine Messemaschine ist mit Verlauf des Maschinenstatus über die Zeit auf dem Umati-Dashboard zu sehen.
Eine Messemaschine ist mit Verlauf des Maschinenstatus über die Zeit auf dem Umati-Dashboard zu sehen.Bild: ISW Institut für Steuerungstechnik der

Sichten auf Facetten

Für einige der Facetten bietet das Umati-Dashboard unter umati.app ausgewählte Anwendersichten für einzelne Maschinen an. Im Dashboard wird der Showcase aktuell virtuell angeboten, sodass alle verfügbaren, beteiligten Maschinen, unabhängig vom Hersteller oder Betreiber, direkt angewählt und in identischen Sichten betrachtet werden können. Das Dashboard soll neben Werkzeugmaschinendaten mittelfristig auch OPC-UA-Spezifikationen für weitere Produktionsmaschinen wie Roboter oder Spritzgussmaschinen nach ihren jeweiligen Spezifikationen abbilden. Für unterschiedliche Technologien werden vereinfachte Sichten angeboten, die als Inspiration für Anwendungsszenarien dienen können. Das Basic-Profil ist Grundlage für die einheitliche Identifikation der Werkzeugmaschinen. Hier wird eine Darstellung genutzt, die mit anderen VDMA-Fachgruppen gemeinsam in der Spezifikation OPC 40001-1 UA for Machinery erarbeitet wurde. Die Verarbeitung der Daten eines heterogenen Maschinenparks für Produktionsmittel aller Art kann so in gleicher Weise umgesetzt werden. Weitere Daten im Basic-Profil sind Statuswerte des laufenden Bearbeitungsprogramms. Diese können sowohl als Produktionsübersicht wie im Showcase Dashboard als auch als Grundlage zur Berechnung von Produktionskennzahlen genutzt werden. Analog dazu wird im Rahmen der Machinery-Arbeitsgruppe an einer einheitlichen Statusdarstellung der gesamten Maschine gearbeitet. Spezifisch für den Werkzeugmaschinenstandard werden Daten des aktuellen Bearbeitungsprogramms und des wirkenden Overrides als veränderliche Live-Daten in einer Häufigkeit von ca. 1Hz bereitgestellt. Wird die Facette Tools umgesetzt, so sind auch die verwendeten Werkzeuge über die Schnittstelle sichtbar.

 Informationen zu Identifikation und Monitoring, dargestellt auf dem Umati-Dashboard.
Informationen zu Identifikation und Monitoring, dargestellt auf dem Umati-Dashboard. Bild: ISW Institut für Steuerungstechnik der

Umsetzung und Integration eigener Maschinen

Anwender können die angebotenen Facetten als Ausgangspunkt für die Entwicklung von OPC-UA-Servern für Werkzeugmaschinen nehmen. Dabei sollte vor allem die geplante Nutzung der Datensätze beim Kunden betrachtet werden, um wichtige Facetten zu identifizieren. Ein wichtiges Kriterium hierbei ist, dass eine Facette sinnvoll mit Daten befüllt werden kann: Die Facette Production kann z. B. verwendet werden, wenn der Produktionsplan auf der Maschine bekannt ist. Sollte lediglich die abzuarbeitenden NC-Programme live überspielt werden, liegen auf der Maschine wichtige Daten für die Facette nicht vor. Die Einbettung ins Produktionsökosystem bedeutet auch, dass die Tools wie ERP und MES die OPC-UA-Schnittstelle nach der Spezifikation für Werkzeugmaschinen unterstützen sollten. Interessierte Anwender oder Endnutzer können die Spezifikation seit dem 25. September beim VDMA und der OPC Foundation unter der Nummer 40501-1 kostenfrei beziehen. Neben dem Spezifikationsdokument steht auch ein Beispiel-Nodeset des Informationsmodells zur schnellen Realisierung von Umsetzung zur Verfügung. Anwendererfahrungen aus den Plugfesten der Werkzeugmaschinen-Community werden über ein Wiki veröffentlicht. Die Teilnahme bei den (vorerst virtuellen) Showcases und die Integration der eigenen Maschinen in das umati-Dashboard steht für alle Interessierten offen: Die Spezifikation der Showcases für OPC-UA-Server und Client-Applikationen ist ebenfalls online zu finden. Bei Interesse an der Weiterentwicklung der Spezifikation um zusätzliche Anwendungsfälle oder technologiespezifische Erweiterungen, informiert die Joint Working Group (Standardisierungsgruppe der OPC Foundation) über Möglichkeiten zur Mitwirkung .n“ rel=“nofollow“ target=“_blank“>www.stuttgarter-innovationstage.de

Artikelserie: Stuttgarter Innovationstage 2021

Teil1: Selbstlernende Steuerungssysteme (SPS-MAGAZIN 10/2020)

Teil2: Umati für Werkzeugmaschinen (SPS-MAGAZIN 11/2020)

Teil3: KI-basierte Qualitätsüberwachung (SPS-MAGAZIN 13/2020)

Teil4: Computer Vision in der Steuerung (SPS-MAGAZIN 1/2021)

Steuerungstechnik aus der Cloud? Der einst kontrovers diskutierte Ansatz wurde vor fünf Jahren erstmals umfangreich auf der Fachtagung Stuttgarter Innovationstage präsentiert. Zum fünfjährigen Jubiläum werden Experten und Anwender am 2. und 3. März 2021 in einer Podiumsdiskussion die Fortschritte der Steuerungstechnik aus der Cloud und reale Anwendungsfälle aufzeigen. Zusätzlich geben an beiden Tagen die Schwerpunktthemen Software Defined Manufacuturing und Intelligente Produktion Einblicke in aktuelle Trends und Entwicklungen. Die Fachvorträge und der direkte Kontakt zu den geladenen Experten aus den Fachbereichen der IT und Automatisierungstechnik ermöglichen den interdisziplinären Austausch mit den Gestaltern der Steuerungstechnik von morgen. Weitere Infos zur Fachtagung unter

ISW Institut für Steuerungstechnik der

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