Profinet und Profidrive beschleunigen die Inbetriebnahme in der Antriebstechnik

Reibungslos vom Modell in die Realität

Digitalisierung ist nur mit Standardisierung möglich. PI-Technologien helfen dabei, etwa wenn es um die Entwicklung und Integration von Antrieben geht. Wie dies in der Praxis funktioniert, zeigt das Unternehmen Dunkermotoren, das seit Jahren auf die Kombination von Profinet mit Profidrive setzt.
xx
xxBild: Siemens AG

Offen für alles und hart im Nehmen, so beschreibt Dunkermotoren den Charakter seiner Motoren. Der Experte für rotative und lineare Antriebstechnik bietet eine große Bandbreite an Produkten und Systemen, wie bürstenbehaftete Gleichstrommotoren, Linearsysteme und Schrittmotoren. Besonderes Highlight sind die voll integrierten smarten BLDC-Motoren bis 5.000W Abgabeleistung. Dazu stellt das Bonndorfer Unternehmen einen breiten modularen Baukasten aus Getrieben, Encodern und Bremsen bereit. Das Unternehmen aus dem Schwarzwald hat schon vor vielen Jahren das Potenzial von Profinet erkannt und treibt seitdem die Technologie gemeinsam mit der PI-Community voran.

Denn offen für alles und unempfindlich muss auch die dazugehörige Kommunikationstechnologie sein. Profinet und Profidrive spielen daher eine wichtige Rolle in der Welt der Dunkermotoren. Inzwischen ist Profinet über die gesamte Baureihe der BLDC-Motoren umgesetzt.

Dies hat auch mit dem Mindsetting im Unternehmen zu tun, erklärt Michael Burgert, Produktarchitekt bei Dunkermotoren: „Unsere Produkte zeichnet schon immer aus, dass wir kontinuierlich immer mehr Funktionalität in sie hinein integrieren. Unsere Motoren beinhalten also nicht nur die komplette Endstufe, sondern auch die passenden mechanischen Komponenten und eine Kommunikationsschnittstelle. Damit liefern wir einen Antrieb, der Plug&Play-fähig ist. Das spart Zeit bei der Inbetriebnahme und ist ein ganz wichtiger Mehrwert für unsere Kunden.“

 Dem Bediener stellt sich eine intuitive Oberfläche dar - die komplexen Abläufe im Hintergrund werden von der Steuerung und dem Profinet-Motor übernommen.
Dem Bediener stellt sich eine intuitive Oberfläche dar – die komplexen Abläufe im Hintergrund werden von der Steuerung und dem Profinet-Motor übernommen. Bild: Siemens AG

Schneller an den Start

Dunkermotoren setzt auf Profinet als Schnittstelle zur überlagerten Automatisierung zusammen mit Profidrive, da diese für alle Prozess- und Antriebsaufgaben geeignet ist. Mit Profinet können Anwendungen für die Fertigungs- sowie Prozessautomatisierung, für Safety-Applikationen und das gesamte Spektrum der Antriebstechnik bis hin zu taktsynchronen „Motion Control“-Anwendungen realisiert werden. Vor allem die Kombination aus Taktsynchronität und TCP/IP-Kompatibilität in Echtzeit überzeugte das Schwarzwälder Unternehmen. Dies bietet die Grundlage, um sehr unkompliziert zusätzliche Daten für Applikationen zu erhalten, ohne die Steuerung zusätzlich zu belasten. Das Applikationsprofil Profidrive definiert das Geräteverhalten und das Zugriffsverfahren auf Antriebsdaten elektrischer Antriebe an Profinet und integriert auch optimal die Zusatzprofile Profisafe und Profi-energy. Gleichzeitig bietet Profinet IRT (Isochronous Real-Time) die Möglichkeit, selbst anspruchsvolle Motion-Applikationen umzusetzen. Eingebunden werden die Produkte über Totally Integrated Automation Portal (TIA Portal), was die Projektierung deutlich erleichtert. Im TIA Portal werden Achsen durch Technologieobjekte abgebildet. Diese werden in der dem Antrieb überlagerten Steuerung projektiert und mit dem Antrieb verknüpft. Das Technologieobjekt übernimmt die Steuerung des Antriebs und kommuniziert dann über Profinet und verwendet dabei das Profidrive-Profil. Im Übrigen profitieren auch die Kunden von dem abgestimmten Zusammenspiel. Die Antriebskomponenten sind im Nu eingebunden, simuliert und in Betrieb genommen.

 Maschinensteuerung und das virtuelle Abbild verschmelzen - der Prozess wird maximal transparent.
Maschinensteuerung und das virtuelle Abbild verschmelzen – der Prozess wird maximal transparent.Bild: Siemens AG

Profinet macht den Motor zum digitalen Sensor

Dazu erklärt Burgert: „Mit Profinet haben wir ein offenes Interface, das wirklich einfach in die Automatisierung eingebunden werden kann. Ich kann einen Motor einfach ausbauen und einen anderen einsetzen und die Kommunikation läuft gleich danach weiter. Das gilt auch für heterogenen Architekturen mit anderen Geräten, die über TCP/IP kommunizieren. Gleichzeitig habe ich eine große Bandbreite, um selbst große Datenmengen performant zu übertragen, z.B., um kontinuierlich die Strom- oder Positionsdaten übermitteln und darauf aufbauend Rückschlüsse auf den Zustand der Anlage zu machen – die Anlage lässt sozusagen komplett elektrisch durchleuchten.“

Gerade der letzte Punkt ist für Benjamin Hogg, Leiter Branchenvertrieb bei Dunkermotoren, einer der zentralen Vorteile von Profinet: „Meist sind es die mechanischen Komponenten, die zu einem Ausfall führen. Mit den Daten aus unserem Motor können wir diese Änderungen frühzeitig erkennen.“ Über Profinet lassen sich eine Vielzahl an Informationen weiterleiten. Dazu gehören z.B. Änderungen, Trends oder Anomalien von der Motortemperatur sowie die Stromaufnahme. Daraus lässt sich wiederum ableiten, ob z.B. eine Wartungsmaßnahme vorgezogen werden sollte, weil eine Komponente schneller verschleißt. Auch die Kunden von Dunkermotoren interessieren sich mehr und mehr für diese Optionen.

 "Mit Profinet haben wir ein offenes Interface, das wirklich einfach in die Automatisierung eingebunden werden kann. Ich kann einen Motor einfach ausbauen und einen anderen einsetzen und die Kommunikation läuft gleich danach weiter." - Michael Burgert, Produktarchitekt bei Dunkermotoren.
"Mit Profinet haben wir ein offenes Interface, das wirklich einfach in die Automatisierung eingebunden werden kann. Ich kann einen Motor einfach ausbauen und einen anderen einsetzen und die Kommunikation läuft gleich danach weiter." – Michael Burgert, Produktarchitekt bei Dunkermotoren.Bild: Siemens AG

Von der Schnittstelle zum digitalen Zwilling

Aus diesem Grund entwickelt Dunkermotoren unter der IIoT-Marke Nexofox neue, digitale Services für Motoren und Antriebslösungen. „Wir wollen über den gesamten Lebenszyklus aus den Daten der Motoren Mehrwerte für die Anwender generieren- also von der Maschinenentwicklung über die Inbetriebnahme und den Betrieb bis hin zur Wartung“, erklärt Christoph Baschnagel, der im Team von Nexofox an entsprechenden Angeboten arbeitet:

Einer dieser Mehrwerte für den Anwender ist der digitale Zwilling, den Dunkermotoren für seine Antriebslösungen anbietet. Ohne eine herstellerübergreifende Standardisierung durch Profinet und Profidrive wäre der Aufwand für einen digitalen Zwilling viel zu hoch, da dies nur über spezifische Modelle möglich wäre. „Wir haben für die Messe Logimat ein gemeinsames Messemodell entwickelt, um die Vorteile von Profinet im Zusammenspiel zwischen der Steuerung und unseren Motoren zu zeigen. Daraus haben sich dann ganz schnell viele Impulse ergeben,“ erinnert sich Burgert.

Simulation unterstützt Inbetriebnahme

Durch Profidrive waren bereits alle Voraussetzungen für die Simulation und virtuelle Inbetriebnahme der verwendeten Antriebe von Dunkermotoren gelegt. Das reduzierte die Projektierung im Engineering erheblich und ermöglichte die Verwendung von Technologieobjekten und die einfache Ansteuerung.

Basis dieses digitalen Zwillings ist das Zustandsmodell des Antriebs im Profidrive-Profil. Die entsprechende Applikation für die Automatisierung wird im Engineeringframework TIA Portal mit Technologieobjekten erstellt, die auf die Profidrive-Funktion zugreifen. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig die herstellerübergreifende Standardisierung ist. Nur so lässt sich durchgängig mit den gleichen Tools arbeiten. Mithilfe eines Template lassen sich so selbst komplexe Kinematiken einfach umsetzen und der Antrieb anschließend in Betrieb nehmen. Dies wäre andernfalls nur mit sehr vielen Einzelschritten möglich, die aufwändig entwickelt und getestet werden müssten. Die Rückmeldung von den Kollegen aus der Inbetriebnahme ist eindeutig – die Integration ist ausgesprochen einfach.

Doch der eigentliche Clou der Lösung ist die Simulation des Verhaltens vor der eigentlichen Inbetriebnahme mit Hilfe der Simulationsplattform Simit von Siemens. „Ich sehe keinen Unterschied, ob ich mit dem Modell oder der echten Anlage arbeite. Dadurch kann ich unabhängig von der Verfügbarkeit einer Komponente schon am Modell eine Lösung testen und optimieren. Die tatsächliche Inbetriebnahme geht viel schneller“, beschreibt Burgert die Vorteile.

Messemodell zeigt, wie es geht

Wie dies in der Praxis funktioniert, konnte anhand des Messemodell auf der Logimat gezeigt werden. Darin wurde eine symbolisierte Messspitze mit Hilfe einer Rollenpickerkinematik mit gleichbleibendem Abstand über ein rotativ und linear verfahrbares Kunststoffprofil bewegt. Sämtliche integrierten Antriebe von Dunkermotoren wurden dabei von einer Simatic S7-1500 T-CPU taktsynchron gesteuert. Das gelingt mit Profinet-Antrieben durch zertifizierte Integration von Profinet IRT. Einmalig in dieser Leistungsklasse war die volle Integration des Profidrive-Profils (Applikationsklasse 1 und 4) auf so kleinem Bauraum.

Der Erfolg lag in der nahtlosen Kombination des realen Messemodells mit dem virtuellen Abbild. Letzterer wurde über eine sogenannte Dialogstation gesteuert. Aus Perspektive der Steuerung besteht kein Unterschied mehr zum realen Modell. Vom ersten Konzeptentwurf bis zur Programmierung und der virtuellen Inbetriebnahme konnte das Messemodell dank der umfangreichen Virtualisierungslösungen quasi im Home Office realisiert werden. Nach Fertigstellung des realen Modells im Messebau wurde das Programm in die reale Steuerung geladen und alles funktionierte genau wie geplant.

Das Messemodell demonstriert eindrücklich das nahtlose Zusammenspiel von Hard- und Software. Das sorgt nicht nur für Wettbewerbsvorteile, sondern eröffnet neue Möglichkeiten, wie etwa Fernupdates auf hinterlegte Motion-Programme, Remotezugriff auf die Parameter des Motors oder eine Cloud-Anbindung. Dieses punktgenaue Zusammenspiel wäre ohne Standardisierung und Offenheit von Profinet bei gleichzeitiger Taktsynchronität nicht möglich gewesen.

Das könnte Sie auch Interessieren