Synchrone Kommunikation und Simulation mit Profidrive

Reibungsloses Zusammenspiel

Dass sich mit PI-Technologien anspruchsvolle und präzise Motion-Control-Applikationen einfach realisieren lassen, ist bekannt. Ein Modell auf der SPS zeigt nicht nur, wie die Antriebe verschiedener Hersteller reibungslos zusammenarbeiten, sondern veranschaulicht auch den Mehrwert der Profidrive-Standardisierung für die Simulation.
 Im Demomodell auf dem PI-Gemeinschaftsstand auf der SPS arbeiten nicht nur Antriebe von elf Herstellern reibungslos zusammen, sondern es wird auch der Mehrwert der Profidrive-Standardisierung für die Simulation gezeigt.
Im Demomodell auf dem PI-Gemeinschaftsstand auf der SPS arbeiten nicht nur Antriebe von elf Herstellern reibungslos zusammen, sondern es wird auch der Mehrwert der Profidrive-Standardisierung für die Simulation gezeigt.Bild: Profibus Nutzerorganisation e. V.

Profinet ist in der Fertigung sowie im Maschinenbau kaum noch wegzudenken. Auch bei Safety-Applikationen sowie taktsynchronen Motion-Control-Anwendungen sind die PI-Technologien in den Blickpunkt vieler Gerätehersteller und Endkunden gerückt. Dabei normiert das Applikationsprofil Profidrive das Zugriffsverfahren auf die Antriebsdaten elektrischer Antriebe via Profinet hersteller- sowie technologieunabhängig. Zudem ist es möglich, die Zusatzprofile Profisafe und Profienergy zu integrieren. Mit dem Kommunikationsstandard Profinet über IRT (Isochronous Real-Time) lassen sich auch komplexe Motion-Applikationen umsetzen.

Seit Anbeginn bietet Profinet die Möglichkeit neben einer performanten Echtzeitkommunikation auch weitere Daten, z.B. über TCP/IP, über das gleiche Netzwerk, ja sogar über dieselbe Leitung zu übertragen – ohne die Echtzeitfähigkeit zu beeinflussen. Da Profinet ein Standard-Ethernet-Netzwerk benutzt, können diese Zusatzdaten sowohl zur Steuerung als auch über eine Edge in die Cloud gesendet werden. Damit kann man Daten, wie die Motortemperatur oder die Stromaufnahme, an der Steuerung vorbei übertragen und zentral auf Trends oder Anomalien mit KI-Methoden untersuchen sowie vorbeugende Wartungsmaßnahmen ableiten.

 Die Simulationsplattform Simit mit dem NX Mechatronics 
Concept Designer (MCD), mit dem Mechanik, Elektrik und Automatisierung im Designprozess 
interdisziplinär betrachtet und 
bearbeitet werden können.
Die Simulationsplattform Simit mit dem NX Mechatronics Concept Designer (MCD), mit dem Mechanik, Elektrik und Automatisierung im Designprozess interdisziplinär betrachtet und bearbeitet werden können.Bild: Profibus Nutzerorganisation e. V.

Herstellerunabhängige Antriebsapplikation

Dass sich dabei auch Produkte unterschiedlicher Hersteller kombinieren lassen, demonstriert ein Modell auf dem PI-Gemeinschaftsstand auf der SPS. Dort arbeiten nicht nur Antriebe verschiedener Hersteller reibungslos zusammen, zusätzlich wird auch der Mehrwert von Profidrive, dem Standardprofil für die Antriebstechnik, in Verbindung mit Profinet für die Simulation gezeigt. Das Demomodell basiert auf der synchronen Kommunikation über Profinet IRT mit dem Zusatz des Profidrive-Profils Application Class 4 (AC4). Die Verwendung offener, in Applikationsklassen (engl. Application Class, AC) unterteilter ‚Antriebsprofile‘ ist ein bewährter Weg, Antriebe und Steuerungen unterschiedlicher Hersteller über Kommunikationssysteme durchgängig und einfach zu verbinden. Das Profidrive-Profil definiert sechs unterschiedliche Applikationsklassen (AC1 … AC6), die den gesamten Bereich der Antriebsanwendung abdecken. Damit können Maschinenbauer herstellerunabhängig den richtigen Antrieb für ihre Bewegungsanwendungen wählen.

Für komplexe, synchronisierte Bewegungsaufgaben in einer mehrachsigen Produktionsmaschine ist typischerweise die Anwendungsklasse 4 notwendig. Sie definiert eine Schnittstelle zwischen der Drehzahl-Sollwert- sowie der Lage-Istwert-Schnittstelle, wobei die Regelung der Drehzahl auf dem Antrieb und die Lage auf der Steuerung geregelt wird. Die Regelung der Bewegung für mehrere Achsen erfolgt zentral, z.B. durch eine SPS. Der Lageregelkreis wird mit Hilfe des Busses geschlossen. Zur Synchronisation der Takte für die Lageregelung in der Steuerung und für die Drehzahlregelung in den Antrieben ist eine Taktsynchronisation erforderlich. Profinet über IRT stellt hierzu die notwendigen Synchronisationsmechanismen zur Verfügung, die Gerätefirmware kümmert sich um die Datenversorgung des Profidrive-Profils.

 Technologieobjekte 
im TIA Portal
Technologieobjekte im TIA Portal Bild: Profibus Nutzerorganisation e. V.

Im Gleichtakt

Das Messemodell demonstriert das reibungslose Zusammenspiel von Antriebsprodukten elf unterschiedlicher Hersteller in einer Maschine. Dabei stellen die integrierten Produkte nur einen kleinen Ausschnitt der großen Vielfalt an Antrieben dar, die Profinet IRT und das Antriebsprofil Profidrive Applikationsklasse 4 unterstützen. Die Standardisierung bietet dem Endkunden also zusätzliche Optionen bei der Auswahl des passenden Antriebs. Insbesondere in Zeiten immer noch angespannter Lieferketten ist es für Endkunden von Vorteil, wenn sie auf unterschiedliche Hersteller zurückgreifen können.

Das Modell besteht aus zwei separaten Modulen. Im ersten Modul werden acht Servo-Antriebe von sieben unterschiedlichen Herstellern taktsynchron gesteuert. Unter einer Stroboskop-Beleuchtung ergeben die auf den Walzen aufgedruckten Buchstaben ein Wort, was visuell belegt, dass die Walzen synchron laufen. Im zweiten Maschinenmodul werden drei Kreisscheiben jeweils von einem Servoantrieb in Rotation versetzt. Die Kreisscheiben haben Löcher, durch welche kurzzeitig ein LED-Licht zu sehen ist – aber eben nur, wenn sich die Scheiben im winkelsynchronen Gleichlauf befinden. Der Messeaufbau demonstriert damit eindrucksvoll, dass Profinet IRT in Kombination mit Profidrive einwandfrei funktioniert.

 Übersicht der Profinet-Topologie in TIA Portal mit Antrieben 
der unterschiedlichen Hersteller im Messemodell
Übersicht der Profinet-Topologie in TIA Portal mit Antrieben der unterschiedlichen Hersteller im MessemodellBild: Profibus Nutzerorganisation e. V.

Komfortable Inbetriebnahme

Eine Dialogstation neben dem Messemodell zeigt noch mehr Vorteile der Standardisierung von Profinet mit Profidrive-Profil, wie die einfache und komfortable Inbetriebnahme der Antriebe. Die Applikation für die Automatisierung wird im Engineeringframework TIA Portal mit Hilfe von Technologieobjekten erstellt, die die herstellerunabhängigen Profidrive-Daten nutzen. Mit diesen Technologieobjekten lassen sich selbst komplexe Kinematiken einfach umsetzen und der Antrieb anschließend in Betrieb nehmen. Ohne Profidrive wäre die Applikation an den Antriebshersteller gebunden und der Anwender müsste das Zusammenspiel vieler Achsen mühsam entwickeln und aufwändig testen.

Digitaler Zwilling spart Kosten

Neben der stark steigenden Auswahl an Antriebsprodukten mit Profidrive besteht eine wachsende Nachfrage nach einer Maschinensimulation. Hier liegt ein weiterer Mehrwert für den Anwender – im digitalen Zwilling. Die herstellerübergreifende Standardisierung von Profinet mit Profidrive gestattet eine einfache Integration des Antriebs in das Simulationsmodell der Maschine. Basis dieses digitalen Zwillings ist das Zustandsmodell des Antriebs im Profidrive-Profil.

Besonders beeindruckend ist die Simulation des Verhaltens vor der Inbetriebnahme. Hierbei lässt sich die Kommunikation der PLC mit dem Antrieb schon vor der realen Inbetriebnahme testen. Probleme wie falsche Abläufe oder sogar Kollisionen können frühzeitig erkennt werden, ohne dass ein Prototyp oder gar die reale Maschine beschädigt wird. Dadurch ist es möglich, unabhängig von der Verfügbarkeit einer Komponente schon am Modell eine Lösung zu finden, zu testen und zu optimieren, was Qualität und Effizienz bei der Inbetriebsetzung steigert. Aufgrund der Profidrive-Integration können die Antriebe in der Simulationsplattform Simit für die virtuelle Inbetriebnahme direkt verwendet werden.

Fazit

Die PI-Technologien erlauben die einfache und komfortable Inbetriebnahme von Antrieben unterschiedlicher Hersteller. Dabei profitieren Anwender besonders von der virtuellen Inbetriebnahme vor dem Bau der realen Maschine, da sich damit die Qualität und Effizienz steigern lässt. Neben der Integration von Profisafe erweitert vor allem die große Antriebsvielfalt mit Profinet IRT und Profidrive das Anwendungsspektrum für Hersteller sowie Anwender. Schon heute können Maschinenbauer aus den Profinet-IRT-Antriebsfamilien von rund 60 verschiedenen Herstellern auswählen (Stand: September 2023). Sie erhalten so nicht nur den bestmöglichen Antrieb für die gewünschte Applikation, sondern auch im Fall der Fälle unkompliziert Ersatz.

Um eine energieeffiziente Antriebssteuerung zu erreichen, lassen sich Profidrive-Antriebe in das Profienergy-Energiemanagementsystem integrieren. Damit können Antriebe automatisch in einen energieeffizienten Zustand versetzt werden, wenn diese gerade nicht benötigt werden. Außerdem schreitet die Integration von Profisafe in die Antriebswelt mit großen Schritten voran und vervollständigt das Profinet/Profisafe-Ökosystem weiter. Neben den bekannten und bisher üblichen sicherheitsgerichteten Komponenten wie Nothalt-Taster, Safety I/Os, Laserscanner und Türschließer ermöglicht Profisafe auch die Integration von sicherheitsrelevanten Antriebsfunktionen, wie sichere Stopps, sicher abgeschaltete Bewegungen und Geschwindigkeitsüberwachung. Durch die große Auswahl an Herstellern unterschiedlicher Antriebskomponenten kann sich der Maschinenbauer die für seine Applikation beste Lösung mit integrierten Sicherheitsfunktionen zusammenstellen.

PROFIBUS Nutzerorganisation e. V.

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