Stimmen der Automatisierungsbranche zur aktuellen Bauteilversorgung

Da geht es anderen Branchen schlechter

Längere Lieferzeiten, steigende Preise, Produktionsausfall bei Automobilbauern - wer die Meldungen neben Corona, Afghanistan und Klimawandel liest stellt schnell fest, dass der deutschen Industrie Ungemach droht. Wir haben bei Automatisierungsherstellern nachgefragt, wie die Lage dort derzeit ist.

„Wir sehen, dass es schwieriger wird, die Lot-Sizes zu bekommen, die wir aufgrund des hohen Auftragseingangs benötigen“, bestätigt Christian Wolf von Turck. „Natürlich sind auch einige Lieferzeiten davon betroffen. Änderungen im Produktdesign, das betrifft uns auch, wenn auch noch in einem akzeptablen Maße. Wir haben schon Redesigns angestoßen bei gewissen Produkten, weil bestimmte Chips in den nächsten 6 bis 12 Monaten nicht mehr zu bekommen sind.“

Preiserhöhungen unvermeidbar

Dass sich diese Lage auch auf das Preisniveau auswirkt, dürfte niemanden erstaunen. Allerdings versuchen die meisten Firmen, den Anstieg etwas zu puffern, da sie eine Erholung erwarten. „Die rasant steigenden Rohstoff-, Transport- und Energiekosten spiegeln sich natürlich auch in unseren Einkaufspreisen wider“, sagt Dr. von Toll. „Durch die kontinuierliche Verbesserung unserer Fertigung- und Logistikprozesse versuchen wir die steigenden Kosten zu kompensieren, was aber nur bedingt möglich ist. Insoweit sind wir trotz dieser umfangreichen Bemühungen auch an dem Punkt, unsere Preise anzupassen.“ Erhöhungen sind auch laut Thomas Peters in Teilen nötig. Das sei nicht zu vermeiden, sei allerdings auch von der jeweiligen zugelieferten Komponente abhängig und lasse sich nicht verallgemeinern. „Die Rohmaterialpreise sind teilweise signifikant gestiegen, was wir in Teilen weitergeben mussten“, bestätigt auch Christian Wolf. „Wir haben aber auch Produktivitätsvorteile generiert, sodass wir in anderen Bereichen keine Erhöhungen weitergeben mussten, auch weil wir hier teilweise temporäre Effekte sehen. Unser Fokus liegt derzeit auf den Bereichen Lieferperformance und Lieferstabilität vor kurzfristiger Kostenbetrachtung.“ Auch Beckhoff sieht sich gezwungen, gestiegene Preise zumindest zu einem Teil auch an Kunden weiterzugeben und laut Dr. Kegel müssen für ‚Broker-Ware‘ teilweise mehrere 100% Aufpreis gezahlt werden. „Die Mehrkosten können wir nur zum Teil an unsere Kunden weiterreichen“, so Kegel, „wir haben eine 5%-ige Preiserhöhung durchgeführt. Über zukünftige Preisentwicklungen dürfen wir auch aus Gründen des Wettbewerbsrechts keine Auskunft geben.“

Langfristig Beruhigung erwartet

Die Sorge, dass die Branche vor einer dauerhaften Preisspirale steht, treibt die befragten Automatisierungsverantwortlichen allerdings eher nicht um, und auch nicht dass das derzeitige Wachstum ein Strohfeuer sein könnte. Dr. Gunther Kegel: „Unsere Aufträge sind nachhaltig. Wir sehen lediglich, dass Kunden – aufgrund unserer sinkenden Lieferbereitschaft – Waren jetzt früher für ein späteres Lieferdatum bestellen. Wir glauben, dass Hamsterkäufe und Lagerbestandsaufbau bei unseren Kunden eher die Ausnahme sind.“ Und Christian Wolf führt aus: „Man muss unterscheiden zwischen dem jetzigen Verteilungskampf auf den Beschaffungsmärkten, wo temporär die Preise nach oben schießen, und der langfristigen Preisentwicklung. Diese Effekte werden sich meines Erachtens perspektivisch auch wieder glätten. In der Summe glaube ich daher nicht, dass das Preisniveau von Elektronikkomponenten dauerhaft nennenswert steigt, wenn sich der Markt wieder normalisiert.“

Die Welt ist in Bewegung, und so bleibt es auf jeden Fall spannend, wie auch Thomas Peters es sieht: „Da viele Hersteller aktuell nicht liefern können, werden Aufträge bei unterschiedlichen Lieferanten platziert, was erneut zu einer Verschärfung bei den Zulieferprodukten führt. Somit könnte der Aufschwung schnell wieder abflachen.“ Hans Beckhoff geht von einem länger andauernden Wachstumszyklus aus, „zumindest solange die weltpolitische Lage nicht instabil wird.“ Dass das nicht nur an Corona liegt, betont auch Dr. von Toll: „Langfristig wird sich der Auftragseingang sicherlich wieder normalisieren. Aber die Mobilitäts- und Energiewende, die erneuerungsbedürftige Infrastruktur, die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung erfordern weltweit zusätzliche Kapazitäten, um all diese Aufgaben zu bewältigen. Insoweit sehen wir unsere Industrie auch in den nächsten Jahren in einem sehr dynamischen Umfeld.“

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