So wird der Sensor ganz einfach zum Netzwerkpartner

Die beste Verbindung

Technologiebegeisterung verbinden die Gründer von Perinet, Dr.-Ing. E.h. Dietmar Harting, Unternehmer und Visionär sowie Geschäftsführer Dr.-Ing. Karsten Walther. Und sie wollen etwas verbinden - nämlich die Internet- mit der Maschinenwelt. Ihre Vision: Sensoren im IIoT einfach an die IT anzubinden. SPS-MAGAZIN erfuhr im Gespräch, wie es dazu kam und warum sie dabei ganz auf SPE-Technologie setzen.

Was hat zur Gründung von Perinet geführt und warum erfolgte die Entwicklung außerhalb von Harting?

Dr.-Ing. E.h. Dietmar Harting: Die Idee entstand an einem Abend im Jahr 2016. Dr. Walther und ich haben uns wie so oft über die Zukunft, die Digitalisierung und die Rolle der IT unterhalten. Er war zu der Zeit federführend an der Entwicklung des modularen Minicomputers MICA bei Harting beteiligt. Dieser wurde mit dem Hermes Award 2016 prämiert und diente als Datendrehscheibe zwischen Maschinen, Anlagen und der IT-Infrastruktur von Unternehmen. Es war aber nur der erste Schritt zur Umsetzung unseres Grundgedankens: Die nahtlose Anbindung von Feldebene und operativer IT mittels durchgängiger Kommunikation. Auch wenn die Virtualisierung auf Edge Computern ein großer Schritt war und von vielen Herstellern kopiert wurde, ist die Umsetzung von IoT Projekten immer noch komplex, da es aufwändig ist, unterschiedlichste Sensoren und Aktoren einzubinden. Auch um unsere Grundidee noch konsequenter umsetzen zu können, haben wir uns entschlossen, diese Technologie, ohne in die Unternehmensstruktur eingebunden zu sein, außerhalb von Harting in einem Startup weiterzuführen.

Herr Harting, Sie hatten ja bereits 2015 die operative Leitung von Harting an die dritte Generation übergeben. Mit der Gründung eines Startups wollten Sie es also noch einmal wissen…

Harting: Ja natürlich, mich begeistert es schon immer, vorzudenken und Neues zu wagen. Und genau das können wir jetzt mit dem kreativen Think-Tank Perinet weiter umsetzen. Hier setzen wir gezielt an der Kommunikation mit Sensoren und Aktoren an und schaffen die nötige IT-Infrastruktur für digital vernetzte, sensorisch überwachte Industrieprozesse. Und zwar über gängige Internetstandards. Das ist das, was mich fasziniert hat. Die Kommunikation mit Sensoren und Aktoren soll so einfach werden wie die Nutzung des Internets.

Was bedeutet der Name Perinet eigentlich und für wie bedeutend halten Sie Ihre Idee?

Dr.-Ing. Karsten Walther: Er bedeutet peripheres Netzwerk. Lassen Sie mich das so erklären: Das IoT – Internet der Dinge – endet heute an Routern, an Application Gateways, zum Beispiel an einer SPS, die auch einen Netzwerkanschluss hat, aber nicht am Sensor. Und genau diese Peripherie wollen wir ins Netzwerk bringen. Anders gesagt: Wir vergrößern das Netzwerk am Rand. Das klingt zwar einfach, ist aber eine große Idee. Wenn wir einen Schritt zurückgehen, sehen wir, wie das Internet die Welt verändert hat und mit welch rasender Geschwindigkeit netzwerkfähige Telefone die Welt verändert haben. Und jetzt reden wir darüber, die Anzahl der IP-fähigen Geräte zu verzehnfachen, vielleicht zu verzwanzigfachen. Denn es geht nicht nur darum, einen einzelnen Sensor im Netzwerk anzuschließen. Im Endeffekt werden wir jeden Sensor direkt erreichen. Und weil schlicht und ergreifend die Anzahl der Sensoren so riesig ist, ist das deshalb ein so großes Thema.

Konkret sinken durch diese Einfachheit die Integrationskosten in IIoT Anwendungen drastisch. Wir reden alle seit den 2000er Jahren viel über IoT und seit 2010 über Industrie 4.0. Aber dennoch sind bisher die wenigsten Sensoren IP-fähig. Vor dem Hintergrund der Veränderung durch die Vernetzung von Geräten über IP-Kommunikation kann ich mir kaum selbst vorstellen, welche Veränderung mit dem flächendeckenden Einsatz von netzwerkfähiger Sensorik einhergeht. Sie wird aber groß sein.

Ihr Konzept basiert auf Single Pair Ethernet. Kam es gerade zum richtigen Zeitpunkt?

Walther: Die Idee, Sensoren netzwerkfähig zu machen, bestand schon lange. Sie stand auch im Hintergrund, als wir die MICA entwickelt haben. Doch erst mit der breiten Verfügbarkeit von Single Pair Ethernet kam der letzte Baustein hinzu, um zu sagen: Jetzt können wir es umsetzen. Das war dann auch der Startschuss für Perinet. Die Sensorik- und Aktorik-Welt ist ja zumeist sehr klein. SPE verkleinert die notwendige Elektronik für die Netzwerkanbindung und folgt damit endlich der Miniaturisierung der sonstigen Elektronik. Und natürlich ist SPE auch wegen der dünnen Kabel und der Nutzbarkeit von Bestandskabeln ein Quantensprung. Daher sehen wir SPE als die perfekte Ethernet-Netzwerktechnologie auf dem letzten Meter zum Sensor.

Die letzte Meile zum Sensor mit SPE – macht das IO-Link obsolet?

Walther: Jein. IO-Link ist ein proprietäres Protokoll für Automatisierung. Und solange ich in einer reinen Automatisierungsumgebung bin, macht diese Technologie Sinn. Aber sobald ich die Sensordaten in einer IT-Landschaft brauche – wenn etwa das übergeordnete Steuerungssystem, zum Beispiel die Gebäudesteuerung oder die Fabriksteuerung, schon IT-basiert ist – ist es wesentlich einfacher über SPE, heißt über Netzwerkprotokolle, die Sensoren einzubinden. Dann kann also ein anderer Ansatz zum Tragen kommen. Sind IT-Systeme die führenden Systeme, ist SPE der einfachere Weg zum Ziel.

Das heißt, Sie denken Ihr Konzept aus der IT-Sicht?

Walther: Genau, wir wollen mit unserer IT-Denkweise den Weg der Digitalisierung vereinfachen, indem wir der IT über die Automatisierungstechnik Daten zukommen lassen. Quasi als leicht umsetzbarer Gegenentwurf zum Blickwinkel aus der Automatisierung. Denn viele Industrieunternehmen sind in der Automatisierung und der Feldebene zuhause. Aber es fehlt ihnen zum Teil die IT-Sichtweise, obwohl viele neue Anwendungsfälle heute IT-getrieben sind.

Können Sie schon einen konkreten Anwendungsfall beschreiben?

Walther: Ja, da gibt es zum Beispiel einen Hersteller für Dichtungen, der mit Hilfe von unseren Komponenten seinen Prüfplatz digitalisiert hat. Der Mehrwert ist, dass die Produktionssteuerung schon in einem IT-System läuft. Das heißt die Verantwortlichen können direkt feststellen, ob der richtige Sensor für den richtigen Vorgang verwendet wird. Denn als aktives Bauteil, als aktiver Netzwerkteilnehmer, kann der Sensor selbst die Daten aufbereiten und den Rohwert bei der Dichtheitsprüfung in Form eines Drucks ausgeben. Also in direkt nutzbaren Daten und nicht in Form einer noch zu interpretierenden Zahl. Damit sinkt auch der Fehlerfaktor bei der Prüfung, weil vielleicht aus Versehen der falsche Sensor verbaut wurde. Es ist ein typisches Einsatzbeispiel, in dem die Digitalisierung die Prozesssicherheit erhöht. In dem Fall im Sinne der Qualitätssicherung.

Harting: Als weiteres Beispiel können wir noch den Betreiber eines Technikermanagements nennen, der Liegenschaften betreut. Dort werden Störmeldekontakte von Anlagen über unsere periNODEs digitalisiert und die Information über das bestehende Gebäudenetzwerk in die Cloud gesendet. Die dortige Software kann nun viel besser die Servicetechniker koordinieren.

SPE gehört die Zukunft? Wo überall?

Harting: Wir setzen darauf.

Walther: Wir haben keine Zweifel. Unsere Lösungen mit SPE-Technologie eignen sich – wie schon gesagt – überall dort, wo das Kopfsystem IT-basiert ist. Und das werden immer mehr. Denken wir an unsere Fahrzeuge, die zunehmend zu fahrenden Rechnern werden. Genau diese Entwicklung sehen wir in allen Bereichen. So sind etwa alle zentralen Gebäudesteuerungen mittlerweile Cloud-basiert. Auch Produktionsteuerungen werden zentralisiert, entweder in lokalen Datenzentren oder auch in die Cloud ausgelagert. Aufgrund der Einfachheit verdrängen IT-Systeme, wo immer es geht, proprietäre Systeme.

In der Automobilindustrie wird SPE schon sehr erfolgreich angewendet, die Entwicklung kam ja aus dem Bereich. Es sind mittlerweile über 400 Millionen Endpunkte im Automobil verbaut und das in der kurzen Zeit. Großes Interesse kommt aber inzwischen auch aus vielen weiteren Industrien. Beispielsweise aus dem Bahnbereich, aus den Bereichen Nutzfahrzeuge und Landmaschinen und aus dem Gebäudebereich.

Natürlich auch aus der Industrie, jedoch werden die Potentiale von Netzwerkkommunikation oft nicht gesehen oder falsch eingeschätzt. Leider verfängt dort auch irreführendes Marketing oder die Konzentration auf eher unwichtige Themen. Wodurch dann Erwartungshaltung und Realität aneinander vorbeigehen, obwohl die Technik richtig eingesetzt viele Vorteile hätte. Hier sehen wir aktuell eines der größten Themen, den Wissensstand in der Industrie zu SPE zu erhöhen. Und wenn das geschafft ist, dann…wird es spannend.

Zusammengefasst, welche wesentlichen Vorteile haben die Anwender?

Walther: Der größte Vorteil ist die Einfachheit. In dem Moment, wo ich direkt mit einem Sensor reden kann, entfallen alle Zwischenstationen. Ich spare mir also die Übersetzer in der Kommunikation. Alle Systeme sprechen eine Sprache. Und die heißt in der Digitalisierung IP-Kommunikation. Damit lassen sich natürlich etliche Projekte viel einfacher umsetzen. Viele von uns haben den Erfolg der Einführung von Plug&Play bei USB miterlebt oder den Umstieg auf netzwerkfähige Drucker. Kurz gesagt, ich schließe etwas im Netzwerk an und kann es einfach benutzen. Genau diese sogenannten Zeroconf-Technologien, was konfigurationslos bedeutet, nutzen wir im Netzwerkbereich für unsere Knoten. Niemand muss mehr Busadressen vergeben oder IP-Adressen eintippen.

Der zweite wesentliche Vorteil ist die Sicherheit. Endlich gibt es die Möglichkeit zur Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und -Kommunikation. Das vergleiche ich immer gern mit den Messengern, die wir alle benutzen. Wir benutzen genau die gleichen ausgereiften Technologien bei der Kommunikation zu den Sensoren. Somit gibt es keine Zwischenstationen und ungesicherte Teilstrecken mehr in der Sensorkommunikation. Das heißt, die Security ist sofort wesentlich höher als in allen bestehenden Feldbussystemen, die wir heute in der Installation finden – also endlich auf der Höhe der Zeit. Obwohl Vernetzung vielfach im Ruf der Unsicherheit steht, ist das Gegenteil der Fall: Es wird so sicher sein, wie nie zuvor.

Welche Produkte und Komponenten sind im Moment verfügbar?

Walther: Wir haben drei Bereiche. Erstens unser Kernprodukt namens periCORE: Das ist ein Netzwerk-Kommunikationsmodul für die Integration in Sensoren, Aktoren oder Kleinstgeräte, das insbesondere auch schon eine produktreife Basissoftware für netzwerkfähige Sensoren und Aktoren mitbringt. Hersteller von solchen Kleinstgeräten können diese so mit minimalem Aufwand netzwerkfähig machen. Zweitens haben wir für die Nachrüstung ein Portfolio an Komponenten: Die Smart Components kann man an bestehende Sensorik anschließen. Zur Vernetzung untereinander bieten wir auch Mini-Switches, die selbst in einem Kabelkanal benutzt werden können. Und für den Übergang zur bestehenden IT-Infrastruktur bieten wir den weltweit kleinsten und günstigsten Medienkonverter für Single Pair Ethernet. Wir setzen bei der Verkabelung dabei auf hybrides SPE und bieten auch die entsprechenden Kabel an. Der dritte Bereich ist die MICA, die wir nochmals in der Benutzung vereinfacht haben. Sie dient als Edge-Computer zur lokalen Datenvorverarbeitung und ist sozusagen ein Rechenzentrum-in-a-Box für die Benutzung an der Maschine. Alle unsere Produkte sind White-Label fähig und zielen darauf ab, die Entwicklungs- und Integrationskosten unserer Kunden zu senken.

Verraten Sie uns noch einen Ausblick?

Walther: Unser Produktportfolio, unsere Komponenten entwickeln wir aktuell nach Kundenbedarf weiter. Etwa Adapter für spezielle oder allgemeine Sensortypen. Oder einen WLAN-Medienkonverter, sodass sich mehrere Sensoren zusammen über einen Wireless-Link an eine Infrastruktur anbinden lassen. So braucht man, wenn man an einer Maschine oder an einem mobilen Gerät mehrere Sensoren hat, bloß einen Wireless-Link, welcher wesentlich zuverlässiger ist. Das sind die kleinen Schritte.

Aber das große Ganze ist: Wir haben das größte Portfolio an aktiven SPE-Komponenten. Wir sind Technologieführer für Single Pair Ethernet, wollen es auch bleiben und weiter ausbauen.

Harting: Und wir werden jetzt schauen, dass Perinet mit Single Pair Ethernet so richtig zum Laufen kommt.

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