Expertenrunde Drehgeber 2022 - Teil 1/2

Digitalisierung & Innovation

Auch im neuen Jahr konnte sich die Drehgeberrunde des SPS-MAGAZINs wieder virtuell treffen und Auswirkungen und Chancen diskutieren, die es im Zuge der Corona-Krise zu bewältigen galt. Experten von Kübler, Posital, TWK, Sick und Wachendorff stellten sich den Fragen des Moderators Prof. Dr. Johann Pohany.
 Die Teilnehmer der Drehgeber-Expertenrunde 2022: (o.v.l.) Dr. Johann Pohany (Medidtcine), Gebhard Kübler (Fritz Kübler), Jörg Paulus (Fraba Posital); (u.v.l.) , Heiko Krebs (Sick), Dr. Felix Steinebach (TWK), Robert Wachendorff (Wachendorff Automation)
Die Teilnehmer der Drehgeber-Expertenrunde 2022: (o.v.l.) Dr. Johann Pohany (Medidtcine), Gebhard Kübler (Fritz Kübler), Jörg Paulus (Fraba Posital); (u.v.l.) , Heiko Krebs (Sick), Dr. Felix Steinebach (TWK), Robert Wachendorff (Wachendorff Automation)Bild: TeDo Verlag GmbH

Pohany: Was hat sich bei Ihnen durch die Corona-Krise im Betrieb verändert?

Krebs: Zum einen die Art und Weise der Zusammenarbeit und der Kollaboration. Das gilt sowohl auf Kundenseite – z.B. beim Thema Messen und dem Umstieg auf digitale Kommunikation – als auch im Umgang mit den Kollegen im Betrieb. Hier ist Teamarbeit das Stichwort, also die Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, bei dem wir eine große Veränderung gesehen haben. Das zweite Thema ist das Geschäft an sich, also die extrem hohe Volatilität und die hohe Dynamik der letzten beiden Jahre in der Corona-Krise, die bezüglich Herausforderungen nicht unterschiedlicher hätten sein können. Der dritte Punkt ist sicherlich nochmal die Sensibilisierung für Digitalisierung und Automatisierung, die deutlich gestiegen ist und weit über den Einsatz von Online-Konferenzen hinausgeht.

Kübler: Natürlich aktuell auch die Themen Messen und Digitalisierung. Wir haben unsere Kübler-Academy gestartet und viele digitale Konzepte wie Schulungen und Weiterbildungen angeboten. Aber ich habe auch das Gefühl, dass die Leute etwas müde sind von den vielen digitalen Konferenzen und sich wieder vermehrt persönliche Treffen wünschen. Dennoch ist es auch effizient, mit digitalen Formaten zu arbeiten, daran wird sich nichts ändern. Diese müssen jedoch weiterentwickelt werden, um hier die Spannung aufrechtzuerhalten.

Paulus: Durch unsere internationale Standortverteilung waren wir, was das Thema Home Office für unserer Mitarbeiter angeht, sehr gut vorbereitet. Ein großes Thema ist natürlich die Schnittstelle zu unseren Kunden, die vor Corona sehr klassisch geprägt war. Hier haben wir den Einsatz von digitalen Tools an Stellen gesehen, wo es vorher nicht zu erwarten war. Aber auch an Stellen, an denen es nicht mehr weggehen wird. Wir werden also in Zukunft viele Gespräche weiter online machen, allerdings bleiben persönliche Kontakte weiterhin nötig. Daher erwarte ich hier in Zukunft einen Mix der verschiedenen Möglichkeiten. Auf Managementseite haben die vergangenen zwei Jahre mit Corona und den Materialengpässen insbesondere eine hohe Flexibilität und kurzfristige Entscheidungsfähigkeit gefordert.

Wachendorff: Aus meiner Sicht war es auch so, dass sich das Management ein Stück weit verändert hat, von der Kundenorientierung hin zur Organisation. Zu Beginn der Krise ging es darum, Corona aus dem Unternehmen herauszuhalten. Jetzt ist angesichts der Volatilität, die mit der Beschaffung von Bauteilen einhergeht, natürlich eine weitere Schwierigkeit da, die es unmöglich macht, eine Langzeitplanung oder gar Just-in-Time-Produktion aufrechtzuerhalten. Meiner Meinung nach hat hier die Optimierung der Lieferketten auf den Profit hin dazu geführt, dass an der Sicherheit der Verfügbarkeit genagt wurde. Hier sehe ich eine anhaltende Bedrohung, der insbesondere durch Regierung und andere Entscheidungsträger über grundsätzliche Strategien begegnet werden muss, um die Sicherung von Produktion und damit auch den Wohlstand überhaupt aufrechtzuerhalten.

Steinebach: Zu Beginn der Corona-Krise waren wir hauptsächlich damit konfrontiert, wie wir möglichst viele Mitarbeiter ins Home Office kriegen, um die laufende Fertigung zu schützen, damit die Produktion ungestört weiter funktionieren kann. Ich denke, dabei wurden auch sehr viele positive Themen angeschoben, von denen wir auch profitieren konnten. Wir haben z.B. ein Projektplanungs-Tool, um Workflows zu digitalisieren. Hier hat man gemerkt, dass das durch Corona erst richtig angenommen wurde. Der zweite Teil der Krise war natürlich die angesprochene Bauteilknappheit. Die wird uns auch, denke ich, noch weiterhin begleiten.

 Die Teilnehmer der Drehgeber-Expertenrunde 2022: (o.v.l.) Dr. Johann Pohany (Medidtcine), Gebhard Kübler (Fritz Kübler), Jörg Paulus (Fraba Posital); (u.v.l.) , Heiko Krebs (Sick), Dr. Felix Steinebach (TWK), Robert Wachendorff (Wachendorff Automation)
Die Teilnehmer der Drehgeber-Expertenrunde 2022: (o.v.l.) Dr. Johann Pohany (Medidtcine), Gebhard Kübler (Fritz Kübler), Jörg Paulus (Fraba Posital); (u.v.l.) , Heiko Krebs (Sick), Dr. Felix Steinebach (TWK), Robert Wachendorff (Wachendorff Automation)Bild: TeDo Verlag GmbH

Pohany: Ein weiterer Punkt, den ich in diesem Zug ansprechen möchte, ist das Thema Venture Capital. Welche Rolle spielt das bei Ihnen bzw. welche Auswirkungen auf den Sensorikmarkt sehen Sie hier?

Steinebach: Venture Capital stellt für uns aktuell keine Option da, wir sind als gesundes und wirtschaftlich gut aufgestelltes Unternehmen auf dem Markt bekannt. Alle Investitionen sind bisher aus eigener Kraft getätigt worden und so soll es auch bleiben.

Wachendorff: Für uns ist Venture Capital auch keine Option. Der zweite Aspekt der Frage, ob es eine Venture-Capital-Gesellschaft schafft, mehrere Sensoren-Hersteller aufzukaufen, stelle ich mir schwierig vor. Aber was man schon seit Jahren immer häufiger sieht, ist ein Hang zur Konsolidierung im Drehgeber-Markt, gerade unter den kleineren Herstellern. Ich glaube auch, dass der Anstieg der Venture-Capital-Anfragen in den letzten zwei Jahren mehr auf der Hoffnung beruht, sich gerade günstig ein Unternehmen dazuzukaufen, dass vielleicht ein schlechteres Jahr hatte, als auf einer strategischen Ausrichtung in eine gemeinsame, größere Zukunft.

Paulus: Grundsätzlich gibt es diese Anfragen und es ist auch so, dass das Thema Sensorik eine immer größerer Bedeutung erhält, gerade auch im Hinblick auf Automatisierung, Industrie 4.0 und die Energiewende. Das merken auch die Investoren und stecken viel Geld in diesen Bereich, um größere Sensorik-Firmen zu bündeln und zusammenzubringen, um Skaleneffekte zu erreichen. Das betrifft natürlich auch unsere Drehgeber-Welt. Die ist aber zumindest hier in Deutschland noch sehr familiengeführt und hat trotz oder gerade deswegen ihre Stärken. So können wir innovativ unterwegs sein und neue Dinge entwickeln, die ein größeres Konglomerat gar nicht in der Art auf den Weg bringen kann.

Kübler: Wir bekommen diese Anfragen, für uns ist es kein Thema. Wir sind natürlich auch wie viele andere Sensor-Hersteller oder generell Mittelständler in Deutschland familiengeführt und wollen das auch bleiben. Wir haben uns bisher immer aus dem Eigenkapital finanziert und streben dies weiterhin an. Natürlich gehen wir auch Kooperationen ein, insbesondere was Technologie betrifft. Aber ich sehe auch das Kapital und das Knowhow, das aus China kommt. Ob es ein Trend ist oder ein Risiko, ist schwer zusagen, es ist eine Marktentwicklung, die wir beobachten.

Krebs: Wenn Sie so auf die letzten 20 Jahre zurückblicken bei Sick, ist eine ganz klare Strategie des Unternehmens, organisch zu wachsen. Mit dem Blick auf den Begriff Venture Capital im eigentlichen Sinne von Wagniskapital, um in zukunftsträchtige Geschäftsideen zu investieren, das ist natürlich schon ein ongoing process bei uns. Wir haben dieses Thema für uns auch schon vor vielen Jahren – unabhängig von der Corona-Krise – identifiziert und einen hybriden Ansatz gewählt: Auf der einen Seite starten wir Kooperationen mit innovativen Unternehmen und Startups aus dem Sensorik-Bereich und darüber hinaus. Auf der anderen Seite sehen wir diese Innovationen auch innerhalb unseres Unternehmens. Das haben wir uns vor einigen Jahren zunutze gemacht und damit begonnen, innerhalb von Sick eigene Startups zu gründen, um sozusagen eigenes Wagniskapital dort zu investieren. Dahinter steckt die Idee, wirklich neue disruptive Themenfelder herauszuarbeiten und so Innovationspotential sicherzustellen, ohne den Blick auf das kurzfristige ROI.

Pohany: Passend zum Thema Innovationen: Sehen Sie diese weiter aus der Drehgeberei selbst entstehen oder werden vermehrt Technologien von außen, also z.B. Sensorik-fremden Startups, integriert?

Paulus: Grundsätzlich kommt, bis auf wenige Ausnahmen, nicht viel Technologie von außen in den Drehgeber-Markt. Das liegt aber auch daran, dass wir – und da spreche ich wohl für alle hier am Tisch – einfach viel in Entwicklung investieren und neue Ideen innerhalb des Unternehmens entwickeln. Ich würde aber niemals sagen, dass wir komplett abgeschottet sind. Schließlich wissen wir alle, dass wir uns weiterentwickeln müssen, um gegen die großen Player zu bestehen, die vornehmlich auf hohe Stückzahlen und diese Dinge schauen. Deshalb sind wir natürlich so aufgestellt, dass wir auch nach außen schauen. Das Beispiel China wurde schon genannt, hier sorgt allein die Größe des Absatzmarktes für Innovationen in der Sensorik.

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